Grauer Anzug, Zigarette im Mundwinkel, ein Old Fashioned vor sich. Er sitzt in einer verrauchten Bar und kritzelt Sloganideen für Lucky Strike auf eine Serviette. Wer die Erfolgsserie «Mad Men» gesehen hat, kennt die Szene.
Die Rede ist von Don Draper. Er verkörpert einen der Madison-Avenue-Werber, welche die Branche in den 1960ern gross gemacht haben. Die ihr etwas Mondänes und Chic verliehen haben. In einer Zeit, in der – will man der Hollywood-Produktion Glauben schenken – Werbeetats mit teuren Spirituosen begossen wurden und Shrimpcocktails der Standard in jedem Meeting waren.
Willkommen in der Realität
Wer heute seine Brötchen mit Werbung, PR oder Campaigning verdient, für den sieht die Realität wohl kaum so aus. Das gilt zumindest für mich. Wie die Branche hierzulande in den 60ern aufgestellt war, weiss ich nicht. Doch ich kann das professionelle Schreiben aus der Perspektive meiner beruflichen Stationen – Redaktionsvolontärin, Werbeassistentin, Freelancer-Journalistin, Freelancer-Texterin, angestellte Texterin, Unternehmensinhaberin – beurteilen.
Meine lessons learned
Was ich nach all den Jahren mit Bestimmtheit sagen kann: Es hat wenig Glamouröses, in der Kommunikation oder in der Werbung zu arbeiten.
Texten ist ein Handwerk, das «20 % Inspiration und 80 % Transpiration» erfordert, wie der deutsche Markenstratege und Autor Armin Reins einst in einem Interview in der Süddeutschen meinte. Es bedarf Multitasking und Resultaten unter oft hohem Zeitdruck. Und es ist ein Beruf, der sich in den vergangenen Jahren mit enormen Veränderungen konfrontiert sah.

Von Print zu Digital
Müsste ich ein Wort wählen, um diese Veränderungen zu beschreiben, dann wäre das – wenig überraschend – Digitalisierung.
Als ich Ende der 1990er meine ersten Berufserfahrungen bei einer Zeitung und in einer Agentur sammelte, lag der Fokus klar auf Print. Genauso war es in meiner Ausbildung zur Journalistin.
Nicht nur haben sich seither die Medien(landschaften) komplett verändert. Gewandelt haben sich auch die Aufträge sowie die Leserinnen, die Kunden und deren Ansprüche. Ich texte immer noch für Gedrucktes. Das Haptische hat seine Bedeutung nicht verloren. Nichtsdestotrotz zielen die Projekte, die auf meinem Schreibtisch landen, primär darauf, für digitale Kanäle aufbereitet zu werden.
Wissen aneignen
Der Branchenwandel hat mir ein Wissensupdate abverlangt. Auch im Hinblick auf meinen doppelten Migrationshintergrund. Denn ich bin nicht nur ein Kind von Immigranten, sondern auch ein Digital Immigrant. Und wer Teil einer ihm bisher unbekannten Umgebung wird, muss lernen sich anzupassen.
In diesem Berufsfeld am Ball zu bleiben bedeutet, sich permanent weiterzuentwickeln und in sein Wissen zu investieren. Was ich in meiner Erstausbildung zur Journalistin gelernt habe – Interviewtechniken, Editorials texten, Reportagen schreiben –, hat seine Gültigkeit nicht verloren. Doch es wäre fatal sich darauf auszuruhen.

Neues Mindset
Unternehmen können ihre Kommunikation heute nicht mehr zu 100 % selbst steuern. Im Zuge digitaler Kommunikationsmechanismen begann das traditionelle Top-down-Konzept zu bröckeln. Denn der neue Kunde möchte nicht mehr nur informiert werden. Er will gehört werden und mitreden. Er hat Macht und er braucht Pflege.
Sich als Unternehmen darauf einzulassen erfordert Umdenken und etwas Mut. Mein beruflicher Migrationshintergrund war und ist hilfreich, meinen Auftraggeberinnen und -gebern mit Empathie zu begegnen und sie in diesem Prozess zu begleiten.
Was Texter texten
Wenn wir vom englischsprachigen «Copywriter» ausgehen, schreiben Texterinnen und Texter die «Copy». Für eine Texterin wie mich, die direkt für Kunden aus unterschiedlichsten Branchen arbeitet oder freischaffend Agenturteams ergänzt, geht es oft über das Schreiben hinaus. Beratung und Projektleitung sind ebenso Teil des Jobs wie Recherchen und das Entwickeln von Ideen oder Kommunikationsstrategien.
Den Grossteil meiner Texte schreibe ich für digitale Kommunikationsmittel und diese lassen sich in drei Kategorien einteilen: Es geht um Information, Storytelling und Content – zur Suchmaschinenoptimierung und/oder zur Unterhaltung.

Der Wert von Text
Last but not least – die Bedeutung des Produktes Text hat sich verändert.
«Wir brauchen schnell was» bleibt eine Art Leitspruch in der Branche. Das ist und war nie besonders berauschend, ist aber ein Stück weit daily business, mit dem man sich arrangieren muss.
Hinzugekommen sind Anmerkungen wie «Wir brauchen nur was Kurzes» oder «Das liest eh niemand» (was übrigens fantastische Sätze sind, um mit einer Texterin ins Gespräch zu kommen). Diese Haltung spiegelt den Zeitgeist wider und das, was in der digitalen Kommunikation gefragt ist: reduzierte Inhalte und Informationshäppchen.
Schön und gut.
Aber: Tippen ist nicht Texten.

Ob ich einen Blogartikel mit 500 Wörtern schreibe oder einen Voice-Off-Text für einen 90-Sekunden-Clip entwickle – die Denkarbeit dahinter ist die Leistung. Das Herausschälen des Wesentlichen. Das Finden der Kernbotschaft in der Fülle von Informationen. Immer wieder mit Kundinnen und Kunden arbeiten zu können, die das erkennen und wertschätzen, ist ungemein motivierend.