Impulse fürs Schreiben

Kreativität auf Knopfdruck gibt’s nicht. Doch sie lässt sich ankurbeln. Was mir beim Texten Schwung gibt und bei Schreibblockaden hilft? Sieben persönliche Tipps.

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Die Finger fliegen über die Tastatur und produzieren Text in Endlosschlaufe. Eine Headline für eine Anzeige. Social-Media-Posts. Das Drehbuch für ein Filmportrait. Dazwischen Mails, ein Meeting mit einer Kundin – und wieder zurück an den Schreibtisch. Die Reportage für ein Kundenmagazin wartet noch auf den letzten Schliff. Mühelos reihen sich meine Worte zu wohlklingenden Sätzen. Innert kürzester Zeit sitzt der Slogan für die Kampagne, bilden sich Absätze, füllen sich Seiten.

So stellen sich wohl viele den Arbeitsalltag von Texterinnen und Konzeptern vor. Wenn ich jemandem erzähle, womit ich mein Geld verdiene, höre ich oft Sätze wie «Ah, dann bist du sicher super kreativ» oder «So was schreibst du bestimmt schnell, du bist ja Texterin». Klar, es gibt sie, diese Flow-Tage, an denen es sich scheinbar fast von alleine schreibt und ich vor Ideen sprühe. Aber das ist kein Dauerzustand. Und wenn es mal richtig gut läuft und ich auf meiner luftig-leichten Texterwolke schwebe, dann handelt es sich eher um ein paar Stunden als ganze Tage.

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Leichtigkeit, höchste Konzentration, maximale Produktivität: Schreiben im Flow. Foto: Billy Huyn on Unsplash.

Das Entwickeln von Konzepten und Strategien wie auch das Schreiben erfordern viel Denkarbeit und Konzentration. Dass sich meine Gedanken manchmal wie zähflüssiger Honig anfühlen und ich an gewissen Tagen keinen gescheiten Satz hinkriege, hat verschiedene Gründe. Mal liegt es an meiner Tagesform oder am Thema, mal an der Vielzahl unterschiedlicher Projekte, die ich parallel betreue, oft an Unterbrechungen und Ablenkung. Doch das ist – wie vielerorts – Teil des Berufalltags und ich habe gelernt, damit umzugehen.

Na ja, mehr oder weniger.

Wenn eine Abgabefrist immer näher rückt und ich noch meilenweit vom Ziel entfernt bin, bin ich nicht sooo gelassen. Aber Deadlines sind nun mal Teil des Business. Wenn ich also das Gefühl habe, nicht vom Fleck zu kommen, greife ich auf die eine oder andere Methode zurück, die mein Denken und Schreiben in Fluss bringt. Sieben davon beschreibe ich in diesem Blogbeitrag.

1. Schreibumgebung wechseln

Sanftes Morgenlicht flutet mein geräumiges Altbaubüro im vierten Stock. Während der Computer hochfährt, stehe ich am offenen Fenster. Mit einer Teetasse in der Hand beobachte ich, wie das Quartier zum Leben erwacht. Gegenüber ragt der Mammutbaum stolz in die Höhe.

Ich liebe meinen Arbeitsplatz.

Er ist grossartig und ich arbeite grundsätzlich gut in meinem Büro. Trotzdem sitze ich manchmal blockiert vor dem Bildschirm. Wenn das passiert, der Zustand anzuhalten droht und ich unter Zeitdruck texten muss, schnappe ich mir Notizheft, Bleistift und Laptop und wechsle die Schreibumgebung. Im Sommer wird der grosse Tisch im Gemeinschaftsgarten, der tagsüber meist ungenutzt ist, kurzerhand zum Bürotisch, in der kalten Jahreszeit das Café um die Ecke meine Schreibstube. Der unkomplizierte Tapetenwechsel, manchmal nur für ein oder zwei Stunden, reicht oft aus, um die richtigen Worte zu finden.

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Der Garten als Büro – eine willkommene Abwechslung und inspirierende Schreibumgebung. Foto: Eli Luna on Unsplash.

2. Vor Ort recherchieren

Eine andere Schreibumgebung wähle ich jedoch oft auch bewusst während der Recherche, und zwar vor Ort, direkt bei Produkt oder Dienstleistung. Das ergänzt ein Briefing optimal und bringt meinen Schreibprozess in der Regel schnell auf Kurs. So entsteht das Storyboard für den Imagefilm eines Naturkosmetikherstellers auch mal vor einer Bergkulisse, die Reportage-Ideen zur Produktion einer Industrielampe in einer Fertigungshalle, der Website-Text für ein Stadthotel in der Hotellobby. Sind historische Fakten gefragt, stöbere ich gerne im Archiv und bringe meine Gedanken dort auf Papier.

3. Lesestoff organisieren

In eine Themenwelt voll und ganz einzutauchen, indem man an den Ort des Geschehens reist, ist optimal, um ein Projekt ins Rollen zu bringen, und meiner Meinung nach oft ein Muss fürs Texten. Es ist ein Stück weit aber auch ein Luxus, denn knapp einkalkulierte (Zeit)Budgets erlauben diese Art der Recherche nicht immer. Die gute Nachricht: Es funktioniert auch einfacher, und zwar mit der passenden Lektüre. Indem ich mich mit Magazinen oder Blogs in ein Thema einlese, bekomme ich ein Gefühl für die jeweilige Sprache und Fachbegriffe. Eine gute Auswahl an Zeitschriften bieten Bibliotheken. Meist kaufe ich die Hefte jedoch, damit ich mir Notizen machen und ausgewählte Artikel in meinem Projektdossier ablegen kann.

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Zeitschriften sind ideal, um sich in ein Thema einzustimmen. Charisse Kenion on Unsplash.

4. Mit Fremdsprachen arbeiten

Odrasla sam dvojezično. Ich bin zweisprachig aufgewachsen. Serbokroatisch war bei uns daheim genauso präsent wie Deutsch, wenn auch die Muttersprache meiner Eltern immer mehr in den Hintergrund rückte. Dass ich mich in zwei Sprach- und Kulturwelten bewege, lässt mich bis heute immer wieder entdecken, wie unterschiedlich eine Sprache etwas beschreibt und zu beschreiben vermag. In meinem Texteralltag sind Kroatisch oder Serbisch selten relevant, Englisch hingegen fliesst in meinen Arbeitsalltag, auch aufgrund meiner Lehrtätigkeit. Wenn es zum Thema oder Kunden passt, ziehe ich in der Online-Recherche englischsprachiges Material hinzu. Wie mir das beim Texten hilft? Mein Englisch ist alles andere als perfekt. Durch das Übersetzen entdecke ich neue Begriffe im Deutschen. Ausserdem lassen mich englischsprachige Texte den Umfang meiner deutschsprachigen Texte kritisch hinterfragen und führen mich oft zu einem einfacheren Satzbau.

5. Die innere Kritikerin abschalten

Geht es beim Texten mühsam voran, darf ich mich selbst nicht noch mehr unter Druck setzen. Im Gegenteil. Genau dann ist es wichtig, dass ich so unverkrampft wie möglich schreibe und mir auch gut zurede (ich bin dann sozusagen Therapeutin und Patientin zugleich): Beginn einfach – irgendwo. Schreib eine halbe Stunde lang, was dir in den Sinn kommt. Kein Wort muss perfekt sein. Du kannst später alles korrigieren.

Das Resultat dieses Prozesses ist nie ein fertiges Textprodukt. Aber mit etwas Abstand zum Text erkenne ich brauchbare Aussagen und Ansätze, die ich weiterentwickeln kann. Ergiebig ist diese Technik vor allem, wenn ein Grundgerüst steht und ich beispielsweise die einzelnen Absätze in einem Artikel inhaltlich füllen muss.

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Einfach loslegen und nicht auf die kritische Stimme hören. Foto: Danielle Macinnes on Unsplash.

6. Null Ablenkung

Die Balance zu finden zwischen produktivem Ideenfindungs- und Schreibprozess auf der einen Seite sowie zuverlässiger Erreichbarkeit für Kundinnen auf der anderen Seite ist eine Herausforderung. Sich aufs Texten einzulassen heisst eben auch, alles andere abzuschalten. Und manchmal braucht es genau das für einige Stunden, um vorwärts zu kommen und zufrieden in die Mittagspause oder in den Feierabend zu gehen: keine Anrufe entgegennehmen, keine Mails beantworten, kein Social Media checken. Ich plane mittlerweile regelmässig ganze Tage ein, die nur fürs Schreiben reserviert sind, und versuche Meetings und Videocalls an anderen Tagen zu bündeln, um die Unterbrüche auf ein Minimum zu reduzieren.

7. Etwas ganz anderes tun

Zu guter Letzt: Wenn es beim Schreiben überhaupt nicht vorwärts geht und mir auch keine der Techniken oben hilft, bleibt mir nichts anderes übrig, als den Text liegen zu lassen und etwas komplett anderes zu tun. Wenn ich im Büro bleibe, weiche ich zum Beispiel auf meine Buchhaltung aus. Lässt mir ein Projekt genügend Luft, mache ich einen Spaziergang oder fahre eine Runde mit dem Rad. Einen Schub gibt mir auch eines meiner Lieblingshobbys: das Nähen. An harzigen Schreibtagen wechsle ich vom Computer an die Nähmaschine, tausche Papier und Word gegen Stickerei und Schere. Wenn ich haptisch arbeite oder mich an der frischen Luft bewege, kann ich Abstraktes gedanklich konkretisieren und mich danach wieder entspannt an den wunderschönen Tisch in meinem wunderbaren Büro setzen.

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Wenn nichts mehr geht: Handarbeit statt Texten. Foto: Marilia Castelli on Unsplash.

Beharrlichkeit zahlt sich aus

Beim Schreiben nicht vorwärts zu kommen, kann Stress auslösen. Halb so schlimm. Nach vielen Jahren Berufserfahrung weiss ich, das gehört dazu und geht auch wieder vorbei. In den Computer starrend auf eine Eingebung zu warten, macht für mich keinen Sinn. Das gewohnte Terrain zu verlassen und das Schreiben für einen Moment ruhen zu lassen, funktioniert hingegen gut und löst Blockaden. Gleichzeitig hat Schreiben – ähnlich wie Sport – viel mit Ausdauer zu tun. Wenn man dranbleibt, wird die Kondition besser und das Ziel rückt unweigerlich näher. Welche Technik sich wann und weshalb bewährt, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich weiss nur: Auch Texterinnen sind nicht auf Knopfdruck kreativ. Und das Entwickeln einer überzeugenden Idee ist immer noch mit Arbeit verbunden.