Wer mich kennt, der weiss, ich tanze beruflich auf zwei Hochzeiten. Ich bin das, was man im Englischen einen Portfolio-Worker nennt: Neben meiner Selbständigkeit mit STIER UND BERGEN habe ich an der Fachhochschule St. Gallen ein kleines Pensum als Lehrbeauftragte. Zudem bin ich als Lehrgangsleiterin eines CAS tätig und doziere auch in diesem Weiterbildungsangebot.
Worum geht’s?
Der CAS Digital Public Services and Communication richtet sich an Akteure, die im Kontext public – Unternehmen im Sozial- oder Gesundheitswesen, Gemeinden, Verwaltung oder Nichtregierungsorganisationen – digitale Services entwickeln und digitale Kommunikationsleistungen aufbauen möchten.
Technologische Innovationen und Service Design sind genauso inhaltlicher Gegenstand des Lehrgangs wie Datenschutz und Medienrecht, Social Media, Krisenkommunikation und Community Building. Das Themenfeld ist breit. Denn die Herausforderungen, mit denen sich der öffentliche Sektor angesichts der Digitalisierung konfrontiert sieht, sind zahlreich.
Neue Anforderungen
Welchen Einfluss die Digitalisierung auf den öffentlichen Sektor hat, zeigt sich einerseits in den steigenden Ansprüchen seitens Bevölkerung an die Kommunikationsleistungen von Parteien oder Verbänden, Bibliotheken oder Schulen.
Andererseits hat der Einsatz digital vernetzter Medien die Art und Weise unserer Kommunikation verändert sowie das Tempo sozialer Interaktionen und Kommunikationsaktivitäten erhöht.
Über WhatsApp, Twitter oder Facebook lassen sich binnen weniger Sekunden Inhalte streuen, die unmittelbar ein grosses Publikum erreichen. Wir alle nutzen diese Kanäle und haben gleichzeitig auch das Bedürfnis nach Echtzeit-Informationen. Aktualität und rasche Reaktionszeiten werden deshalb je länger je mehr auch von Akteuren, die im öffentlichen Raum agieren, gefordert.
Die Mitmach-Bürger
Doch nicht nur das Tempo ist gestiegen. Im Austausch zwischen dem Staat oder der Verwaltung auf der einen Seite und der Bevölkerung auf der anderen Seite werden Transparenz, Kollaboration und Partizipation immer wichtiger.
Bürgerinnen und Bürger wünschen sich umfassende und vollständige Informationen, Befürworter von Open Data die Bereitstellung öffentlich zugänglicher Verwaltungsdaten. Auch will die Bevölkerung gehört werden und mitreden können. Und sie fordert substanzielle Mitgestaltungsoptionen. Gemeinden und Städte, die dies erkannt haben, involvieren ihre Einwohnerinnen und Einwohner immer öfters – digital oder analog – bei der Ideen-Generierung von Lösungen, welche die Gemeinschaft betreffen, beispielsweise bei der Gestaltung öffentlicher Räume.
Differenzierte Botschaften
Während in der Vermarktung von Produkten wie Konsumgütern oftmals eine relativ homogene Zielgruppe angesprochen werden kann, sind die Adressaten von Gemeinden oder Museen, Parteien oder Bibliotheken ein Querschnitt durch die Gesellschaft und damit sehr viel heterogener. Auch sind die Ziele, die erreicht werden sollen – Partizipation, Mobilisierung, Sensibilisierung, Bildung – anspruchsvoll. Dieser Diversität und Vielschichtigkeit in Sachen Kommunikation gerecht zu werden ist es ebenfalls.
Die gute Nachricht: Die Vielfalt an digitalen und klassischen Kommunikationskanälen und deren Vernetzungsmöglichkeiten – Stichwort Crossmedia – erlauben eine differenzierte Ansprache. Wer sich damit auseinandersetzt, über welche Netzwerke und Kanäle man verschiedene Ziel- sowie Altersgruppen am besten erreicht, kann ausgewählte Botschaften mit weniger Streuverlusten gezielter platzieren.
Einen authentischen Dialog führen
Das Internet hat die Linien zwischen Absendern und Empfängern verwischt. Wir konsumieren schon lange nicht nur mehr nur, sondern drücken im Netz unsere eigenen Meinungen oder Ideen aus – inklusive Kritik.
Als Organisation mit der Öffentlichkeit in den Dialog zu treten, bedeutet auch sich negativen Stimmen auszusetzen. Deshalb ist es entscheidend, dass Akteure im öffentlichen Sektor entsprechende Ressourcen stellen und sich das nötige Know-how für das Community Management aneignen.
Wer online zuhören kann, adäquat reagiert und sein Gegenüber ernst nimmt, schafft Vertrauen. Denn in der Interaktion mit Staat oder Verwaltung wollen sich Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr als Verwaltete sehen, sondern als Partner wahrgenommen werden. Kommunikation muss heute ausgehend von authentischen Botschaften auf Augenhöhe erfolgen. Und damit diese Botschaften in der Informationsflut ankommen, ist auch Verständlichkeit zentral.
Mehr Kommunikation. Mehr Arbeit.
Man kann es nicht schönreden oder wegdiskutieren: Der Aufwand für Kommunikationsleistungen steigt. Die Gründe: Eine professionelle digitale Visitenkarte wird heute vorausgesetzt. Das Verlangen nach transparenten Informationen nimmt zu. Entscheide und Massnahmen müssen in der Öffentlichkeit – mehr denn je – kommuniziert und begründet werden. Wer zudem für Themen sensibilisieren und mobilisieren will, muss fortlaufend in seine Kommunikationsarbeit investieren.
Meine persönliche Bilanz
Die Öffentlichkeit verändert sich unter dem Einfluss der Digitalisierung. Neues Mediennutzungs- und Kommunikationsverhalten führt zu neuen Ansprüchen. Kommunikation erfolgt nicht mehr top down – die Bevölkerung wird zum Co-Autor und Co-Creator. Sich all diesen Aspekten aus unterschiedlichen Perspektiven – einer politikwissenschaftlichen, einer medientheoretischen und einer praxisorientierten – sowie in unterschiedlichen Funktionen – als Lehrgangsleiterin und Dozentin – nähern zu können, war für mich sehr lehr- und aufschlussreich.
Highlights: Denkarbeit und Diskurs
Den CAS inhaltlich und konzeptionell prägen zu dürfen, war rückblickend einer der Höhepunkte. Nicht zuletzt, weil ich von verschiedenen kreativen Mitdenkerinnen und -denkern unterstützt wurde und auf ein bereits gutes Ideen-Fundament aufbauen durfte.
Besonders bereichernd fand ich den interdisziplinären Austausch: zum einen mit den Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam mit mir in dieser Weiterbildung unterrichten. Zum andern mit den sehr interessierten Teilnehmenden des Lehrgangs, die aus Bildungsinstitutionen und dem Gesundheitssektor, einer Gemeinde und einer kantonalen Einrichtung kamen oder in der Beratung tätig sind.
Hürden: Fokus und Multitasking
Die wohl grösste Herausforderung war, die Ausdauer und den Fokus in diesem Marathon von Meetings, Mails, Telefongesprächen, Konzeptpapieren, Networking, Akquise, Recherche und Unterrichtsvorbereitung zu behalten.
In Anbetracht dessen, dass ich parallel selbst Weiterbildungen besuchte (eine davon war der Intensivkurs zur Social Media Managerin) sowie über mehrere Monate hinweg unter anderem ein grösseres Filmprojekt und ein anspruchsvolles Webprojekt begleitete, war das nicht immer einfach.
Fazit
Wie beurteile ich die Durchführung des ersten CAS Digital Public Services and Communication sowie meine Aufgaben und Inhalte abschliessend?
Auf organisatorischer Ebene?
Intensiv. Zwischen meiner Zusage, die Lehrgangsleitung zu übernehmen und im CAS zu unterrichten, sowie dem Apero – im Mai 2019 durfte ich mit den Teilnehmenden der ersten Durchführung auf den erfolgreichen Abschluss anstossen – lagen knapp 17 Monate. Das ist eine – Pardon my French – verdammt lange Zeit, sich in einem Projekt zu beteiligen. Zumindest in meinem Arbeitsalltag. Der Initialaufwand für die konzeptionelle und inhaltliche Entwicklung war ausgesprochen hoch. Doch die vielen positiven Rückmeldungen zeigen: Es hat sich gelohnt.
Auf inhaltlicher Ebene?
Dringlich. Die Mitentwicklung und Leitung dieses Lehrgangs, das Vorbereiten meiner Unterrichtsinhalte und das Lehren im CAS haben mir immer wieder vor Augen geführt, wie wichtig die behandelten und von den Teilnehmenden eingebrachten Themen und Fragestellungen sind.
Der öffentliche Sektor hat ein enormes Potenzial bei der Entwicklung von digital public services und digitalen Kommunikationsleistungen. Nicht nur, um Bürgerinnen und Bürgern etwas bieten zu können und das Miteinander zu vereinfachen. Digitale Tools helfen auch intern, Prozesse zu vereinfachen und die Effizienz zu erhöhen.
Genauso viel Potenzial birgt das professionelle Bespielen digitaler Kanäle. Ein offener Dialog schafft nicht nur Vertrauen, er kann beispielsweise für Gemeinden auch ein Standortvorteil sein. Digitale Medien bieten die Chance, für Themen zu sensibilisieren oder gesellschaftlich relevante Kampagnen zu lancieren. Und diese Instrumente sowie die damit geschaffenen Partizipationsmöglichkeiten erhalten in einer digitalen Gesellschaft und Demokratie immer mehr Legitimität.
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Donato Caspari hat im November 2018 den Auftakt im ersten CAS Digital Public Services and Communication fotografisch festgehalten.